Echtzeit-Sensorsystem macht Biogas-Produktion flexibler und effektiver
Eine Forschungsgruppe der Universität Ulm hat ein Sensorsystem entwickelt, das Fermentationsprozesse in Biogasanlagen in Echtzeit überwacht und die Messwerte ortsunabhängig verfügbar macht. Das Startup OptProC, das sich rund um dieses patentierte Mess-System gegründet hat, erhält vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Fördergelder aus dem EXIST-Programm in Höhe von 151 400 Euro. Bei der Biogas-Messe in Nürnberg (12. bis 14. Dezember) stellt sich das Startup mit seiner Entwicklung der Fachwelt vor.
Biogas ist eine wichtige regenerative Energiequelle zur
Erzeugung von Wärme und Strom. Vor allem in Zeiten der „Dunkelflaute“,
wenn weder die Sonne scheint noch der Wind weht, können Biogasanlagen
Produktionslücken bei der regenerativen Energieerzeugung abdecken. Im
Winterhalbjahr sind sie darüber hinaus wichtige Lieferanten für Wärme in
lokalen Netzen. Vorausgesetzt, die biologische Methanerzeugung lässt sich
entsprechend steuern und der Prozessablauf bedarfsgerecht terminieren. Eine
Forschungsgruppe der Universität Ulm hat ein Sensorsystem für die
Echtzeitüberwachung von Fermentationsprozessen entwickelt, das Informationen
zum Biogasprozess direkt auf das Smartphone übermittelt. Die Messdaten helfen
bei der automatischen Überwachung der Prozessstabilität und ermöglichen
damit eine hohe und zugleich flexible Methan-Produktion.
„Das optische Sensorsystem erfasst direkt in der
Fermenterflüssigkeit die Temperatur und den CO2-Partialdruck, der
angibt, wie viel Kohlendioxid das Gasgemisch enthält“, erklärt Professor
Marian Kazda, ehemaliger Leiter des Instituts für Systematische Botanik und
Ökologie an der Universität Ulm. Der Biogasexperte hat das
Echtzeitmessverfahren gemeinsam mit wissenschaftlichen Mitarbeitern bis zur
Praxisreife entwickelt. Das patentierte Verfahren besteht aus einer Messlanze
und einem Messgerät, das die Messwerte zu einem Cloud-Speicher überträgt.
Dort werden die Daten aufbereitet. Beim Abruf über ein mobiles Endgerät
erhalten die Nutzer weiterführende Informationen über den Fermentationsstatus
und die bisherige Entwicklung. Rund um dieses Mess-System hat sich an der
Universität Ulm nun ein Startup zur Weiterentwicklung und Vermarktung
herausgebildet, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
(BMWK) mit einem EXIST-Gründungsstipendium gefördert wird. Die
Uni-Ausgründung OptProC – das Akronym steht im Deutschen für optische
Prozesskontrolle – erhält für die Jahre 2023 und 2024 insgesamt 151 400
Euro.
Biogasanlagen erzeugen aus organischem Material wie
Schweinemist, Gülle, Maissilage oder auch aus speziellen
„Energie“-Pflanzen wie Silphie ein Gemisch aus Methan und
Kohlenstoffdioxid. Das Methan wird dann in Blockheizkraftwerken in Strom und
Wärme umgewandelt. „Eine hohe Methanausbeute gibt es allerdings nur bei
einer optimierten und stabilen Prozessführung“, erklärt Kazda. Der
CO2-Partialdruck in der Fermentermaische ist ein guter Indikator, um
die Prozessführung zu beurteilen. Damit lassen sich auch die optimale
Substratzufuhr bestimmen sowie Störungen durch Überlast vermeiden. „Wir
können mit unserem System zur optischen Prozesskontrolle einen wichtigen
Beitrag zur Automatisierung von Anlagen leisten und dafür Sorge tragen, dass
die Prozessführung optimiert und flexibilisiert werden kann“, so der Biologe
und Gründungsmentor.
Bislang war die Fermenterkontrolle nur über teure und
zeitlich verzögerte Laboranalysen möglich. Das in Ulm entwickelte optische
Mess-System kann die Dynamik und Stabilität des Fermentationsprozesses direkt
in der Reaktionsflüssigkeit in Echtzeit überwachen. Es ist robust,
kostengünstig und kann in bestehende Biogasanlagen leicht integriert werden.
Seine Praxistauglichkeit hat es bereits in mehr als zwanzig Biogasanlagen
unterschiedlicher Bauart unter Beweis gestellt. „Unser Ziel ist es, die
Biogasanlagenbetreiber zu unterstützen. Sie können mit dem OptProC-System den
Gärprozess direkt und ortsunabhängig überwachen. Bei Störungen erhalten sie
eine Handlungsempfehlung. So können Substratkosten reduziert und die Anlage
optimal betrieben werden“, erklärt Andreas Rembold, der in der Ausgründung
für die Biogastechnik und Sensorik zuständig ist. Zum Team von OptProC
gehören außerdem Dr. Sharif Ahmed, der sich um die technische Entwicklung und
Datenauswertung kümmert, sowie Lars Seisser, der für die Datenkommunikation
und das End-User Interface verantwortlich ist.
Die Entwicklung des Sensorsystems zur Echtzeitüberwachung
von Biogasfermentern wurde vom Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft gefördert und zwar im Rahmen eines Förderaufrufs zur
„Flexibilisierung der Biogaserzeugung“. Die darauf aufbauende Ausgründung
wird vom Entrepreneurs Campus begleitet, dem Gründungsförderungs-Team der
Universität Ulm. Bei der Messe des Fachverbandes, der Biogas Convention &
Trade Fair 2023, die vom 12. bis zum 14. Dezember in Nürnberg abgehalten wird,
stellt das OptProC-Team seine Entwicklung erstmalig dem Fachpublikum vor (Halle
9, Stand F10).
Sharif Ahmed, Kerstin Maurus, Andreas Rembold, Lars
Seisser & Marian Kazda. Echtzeitüberwachung von Biogasfermentern. Biogas
Journal 5_2023
Universität Ulm
Das Startup OptProC erhält vom Bundesministerium für Wirtschaft für die Entwicklung Fördergelder aus dem EXIST-Programm
Branche |
|
---|---|
gegründet | 1967 |